Die Kirchen der Zisterzienser und deren Bauart

Die strengen Bestimmungen des Zisterzienserordens erstreckten sich sogar auf die Bauart der Kirchen, um zu verhüten, dass dieselben in ihrer Einfachheit und Schmucklosigkeit einen zu erhabenen Anblick darboten. Steinerne Türme sind verboten, an ihre Stelle treten Holztürme, die nicht allzu hoch sein sollten.

 

Sie erhoben sich in der Regel als „Dachreiter“ über der Vierung. Die Glocken sollten nicht über 5 Zentner wiegen; jedenfalls sollte ein Mann imstande sein, sie zu läuten. Ihrer Zahl waren in der Regel zwei, eine große und eine kleine.

 

Die Abtei Clairvaux hatte von ihrer Gründung bis 1789 nacheinander 4 Kirchen; die drei ersten waren im 12., die vierte im 18. Jahrhundert erbaut.

Die erste Kirche muss bei der Gründung errichtet worden sein, also 1114 oder 1115, wie ja die Klosterchronisten über das Gründungsjahr nicht einig sind.

Sie hatte drei Altäre; der Hochaltar war der heiligen Jungfrau, die Seitenaltäre den Heiligen Laurentius und Benedikt geweiht.

 

Sie lag wie auch das Kloster 2000 m westlich von der Stelle, wo das jetzige Gefängnis **) steht, auf der waldigen Anhöhe, die die Anstalt überragt. Im Jahre 1135 verlegte Abt Bernhard seine Abtei mehr in den Talgrund der Aube, wo der Boden ebener und mehr zum Anbau geeignet war.

Dieses zweite Kloster, das in die westliche Hälfte der Umfriedigung des heutigen Gefängnisses fiel, bestand bis zum 18. Jahrhundert, doch war es von den Mönchen zu jener Zeit schon längst verlassen, die 240 m weiter östlich ein drittes Kloster erbaut hatten, die jetzige Strafanstalt.

Die Kirche des zweiten Klosters war ein Quadrat von 16 m Seiten-, also 256 qm Grundfläche; da wundert man sich denn nicht, wenn man liest, dass 100 Novizen genügten, den Chor zu füllen. Sie hatte 9 Altäre, wovon 1708 noch der Hauptaltar und die zwei an der östlichen Mauer bestanden.

 

Phil, von Chalette übernahm 1202 für sich und seine Erben die jährliche Lieferung einer Kerze zum St. Bernhardustag. Sein Neffe und Erbe Garnier erkannte 1215 diese Abgabe an. — 1227 machte Constance de Villars für Clairvaux die gleiche Stiftung. — 1216 verschrieb Guichard de Beaujeu der Abtei eine ewige Rente von 100 Sous zum Ankauf von Öl für die Kirchenlampen. — 1222 stiftete Thibaut IV., Graf von Champagne, eine ewige Rente von 18 provençalischen Pfunden, dafür mussten die Privatmessen bei brennenden Kerzen gelesen werden; ferner verschrieb derselbe 40 Sous zum Unterhalt einer ewigen Lampe im Beinhaus, wo die zu Clairvaux verstorbenen Gläubigen beigesetzt waren. — Gegen Ende des 13. Jahrhunderts verschrieb Robert Bruce der Abtei Clairvaux ein Gut in Schottland zum Unterhalt der Lampe über dem Grab des hl. Malachias. — Clairvaux dient jetzt dem Strafvollzug und ist Zentralgefängnis. — Schon beim Tode St. Bernhards († 1153) sah man die Unzulänglichkeit der ersten Kirche ein.

 

Der Mönch Laurentius erhielt, vom Prior, welcher nach dem Tode des hl. Stifters die Abtei verweste, nach Sizilien geschickt, von König Wilhelm I, eine beträchtliche Summe zum Bau einer neuen Basilika (1154), die 1174 feierlich eingeweiht wurde. Im Jahre 1178 gewährte Heinrich II. von England die nötigen Mittel, sie in Blei zu decken, wofür ihm der Abt von Clairvaux als Gegenleistung einen Finger des hl. Bernhard gab.

Die zweite Kirche, die noch am Anfang des 18. Jahrhunderts existierte, hatte 3 Lang-Schiffe, ein von Kapellen umgebenes Querschiff, und eine gleichfalls von 9 Kapellen eingesäumte halbkreisförmige Apsis *). Ein hölzerner Dachreiter erhob sich über der Vierung. Die Länge der Kirche betrug 106 m, die Breite des Querschiffs 54 m, des Langschiffs 25m. Ursprünglich umfasste der Plan ein dreifaches Schiff mit elf Jochspannungen und endete im Westen mit einer Vorhalle, ähnlich dem Narthex der lateinischen Basiliken.

Der wenig tiefe Chor, welcher nur eine Verlängerung des Hauptschiffes war, bestand aus einer, durch drei Fenster durchbrochenen Abrundung. Das ist eine Eigentümlichkeit des ursprünglichen Zisterzienserstils. Das 54 m breite Querschiff enthält acht viereckige Kapellen, von denen je zwei sich in jedem Arm des Querschiffes gegenüberstanden und deren Altäre nach Osten gerichtet waren.

Auf diese Weise erklärt man sich leicht, dass die zweite Kirche, welche die Geschichtsschreiber der folgenden Jahrhunderte das Oratorium genannt haben, neun Altäre, einen in jeder Kapelle und den Hauptaltar in dem Heiligtume besaß. Keine architektonische Ausschmückung milderte im Inneren oder Äußeren den ernsten Charakter des Gebäudes. Bildliche Darstellungen waren unerbittlich daraus verbannt. Die Seele Bernhards war zu sehr in sich selbst gesammelt, um zu begreifen, dass eine Galerie von Bildsäulen dazu dienen könne, die Frömmigkeit eines Mönchs zu nähren.

 

Um so mehr missbilligte er am heiligen Orte die Gegenwart jener grotesken Ungeheuer, welche als Hängezierat unter den Füssen der Heiligen niederkauern und an allen Ecken als chimärische Mundstücke hervorragen und durch die Schnörkel der Kapitaler und Friese Fratzen schneiden.

Kaum zeigt sich an den Kapitalem rohes Blätterwerk oder Laubverzierung, wie zu Fontenay, Man bemerkt nur die großen Linien des Baudenkmals, und der Blick haftet kalt auf den langen nackten Wänden. Malerei und Farben sind gleichfalls ausgeschlossen.

Keine Gemälde in den schmalen Fenstern; die Sonne darf ihr Farbenbild nicht auf die Wände werfen; sie darf das Auge des Cönobiten nicht anziehen und ihn im Gebete zerstreuen.

 

Der Zisterziensertempel ist wesentlich ein Ort der inneren Sammlung. *) Der Chor war zuerst viereckig; die halbkreisförmigen Apsiden erscheinen in der Zisterzienserbaukunst erst nach dem viereckigen Abschlüsse — . Diese Kirche zählte im ganzen 32 Altäre. Im Zentrum der Apsis befand sich der Hochaltar und hinter ihm, an die Stützpfeiler der Apsis sich anlehnend, drei Altäre über dem Grabe des hl. Bernhard, über den Reliquien der hl. Märtyrer Eutropius, Zosimus und Bonosius und über dem Grabe des hl. Malachias.

Neun Kapellen umsäumten die Apsis; jede barg einen Altar.

Sie waren folgenden Heiligen geweiht:

  • I. den vier Evangelisten;
  • II. den Aposteln Philippus, Jakobus, Matthäus und Barnabas;
  • III. den Aposteln Andreas, Thomas, Simon und Judas;
  • IV. den Aposteln Petrus, Paulus, Jakobus, Sohn des Zebedäus, und Bartholomäus;
  • V. Jesu und seiner Mutter; er befand sich, wie der Hauptaltar und der Altar des hl. Bernhard in der Längsachse der Kirche;
  • VI. Johannes dem Täufer;
  • VII. den hl. Stephan, Fabian, Sebastian und Ignatius, den Märtyrern;
  • VIII. den hl. Märtyrern Laurentius, Vincenz und Clemens, den Päpsten, und
  • IX. den hl. Märtyrern Didier (Bischof), Mammeus, Dionysius und Mauritius.

 

Im rechten Querschiff befanden sich vier Altäre, die geweiht waren:

  • a) der hl. Anna,
  • b) dem hl. Benedikt und dem hl. Robert, den Bekennern, dem hl. Bischof Remigius,
  • c) den hl. Märtyrern Georg, Mauritius und ihren Genossen, dem hl. Bekenner Arsenius;
  • d) dem hl. Erzengel Michael und allen hl. Engeln. Im linken Querschiff waren „fünf*) Altäre“, die geweiht waren:
  • e) allen Heiligen,
  • f) den hl. Martinus und Julianus, den Bekennern,
  • g) den hl. Margaretha, Felizitas, Maria Magdalena und Maria in Ägypten,
  • h) den vier Doktoren der Kirche (Ambrosius, Augustinus, Hieronymus und Gregor);
  • i) dem hl. Bekenner Eloi, Bischof von Noyon, Ludwig von Frankreich und Yves. *)

 

Ob nicht hier der Hochaltar nochmals mitgezählt ist? Im Langschiff waren zehn Altäre aufgestellt; sie lehnten sich wahrscheinlich an die Pfeiler an, die den ganzen Bau trugen, und waren geweiht:

  • 1. dem hl. Dionysius und seinen, Genossen;
  • 2. den beiden hl. Thomas, Märtyrer und Bischof, und dem hl. Bischof Martialis;
  • 3. den Heiligen Edmund, Wilhelm, Maklon und dem hl. Bischof Johannes Chrysostomus ;
  • 4. den hl. Bekennern Antonius, Paulus und Fiacrius und allen hl. Einsiedlern;
  • 5. dem hl. Bischof Nicolaus von Myra, dem hl. Petrus, Bischof von Tarentaise, der hl. Jungfrau und Märtyrerin Katharina;
  • 6. dem hl. Kreuze;
  • 7. der hl. Dreifaltigkeit und der hl. Jungfrau Maria;
  • 8. den Heiligen des Namens Innocenz;
  • 9. den hl. Jungfrauen Agathe, Lucia, Prisca und Anastasia und
  • 10. den hl. Jungfrauen und Märtyrerinnen Agnes, Petronilla und Scholastika.

 

Die Mönche von Clairvaux hatten entsprechend den „alten Verordnungen des Zisterzienserordens“ sogenannte Klappstühle, „Miserikordien“, auf denen man in halbstehender Stellung sitzen konnte. Die zweite Kirche von Clairvaux hatte deren 815; 144 sogen. „Priesterstühle“, den angesehenen und „braven“ Mönchen bestimmt, und 33 für die übrigen Mönche, in Summa 177 im östlichen Teil der Kirche gegenüber dem Hauptaltar, die Priesterstühle weiter im Vordergrund und dem Altarnäher, die anderen weiter zurück.

 

In der Nähe des Portals im Westen waren die 351 Stühle der Laienbrüder; 287 Stühle, zweifelsohne für Novizen und Fremde, füllten den die beiden ersten Kategorien trennenden Raum aus.

Da man befürchtete, dass Monumente und Grabsteine in den Kirchen den Besuchern Anlass zur Zerstreuung gäben, und durch Erweckung weltlicher Gedanken Manche von ihrem wahren Ziele abzögen, so verbannte das Generalkapitel diese, sowie einen großen Teil der Seelenmessen und die Feier von Gedenktagen aus den Ordensklöstern.

 

Seelenmessen wurden nur 16 gelesen, und zwar 4 in speciali, die übrigen summarisch. Die ersteren waren die für den Papst Honorius III. (1216 — 1227), die Könige Philipp August und Ludwig VIII., sowie für Richard Löwenherz. Dementsprechend weist das Verzeichnis der gestifteten Seelenmessen nur wenige Nummern auf. Nach demselben Prinzip durften in den Klosterkirchen nur Könige und Königinnen und Kirchenfürsten begraben werden.

In Clairvaux lagen 4 Kardinäle, 15 Bischöfe und Erzbischöfe und 2 Königinnen von Navarra.

Die Körper der Heiligen Zosimus, Eutropius und Bonosius, die 1225 durch den Kardinalbischof von Porto, Conrad, einen ehemaligen Abt von Clairvaux, aus Italien nach Clairvaux gesandt worden waren, figurierten als Reliquien, ebenso die Leichenreste von 4 der 11.000 Jungfrauen und der hl. Aleth, der Mutter des hl. Bernhard.

 

Die Äbte des Zisterzienserordens wurden in den meisten Abteien gewöhnlich an der Südseite der Kirche im Kloster beigesetzt; die übrigen Verstorbenen wurden auf dem Kirchhof der Abtei beerdigt. Hinter der Apsis lag der Friedhof für fremde Äbte; in Clairvaux lagen hier auch der Vater und die Brüder des hl. Bernhard begraben. Der Laienfriedhof erstreckte sich in Clairvaux längs des nördlichen Seitenschiffes; ein Säulengang, der Kirche parallel, überdeckte ihn. Hier ruhten die Leiber verstorbener Adeliger; jenseits desselben, gegen Norden zu, lag der Friedhof der Mönche. Auf ihm fand man stets ein angefangenes und ein zur Hälfte vollendetes Grab neben dem zuletzt Beerdigten, „damit“, so sagt Martöne, „dies Bild die Erinnerung an den Tod stets wach erhalte und die Brüder durch diese Erinnerung in der Erfüllung ihrer Pflicht bestärke“.

Anfangs war die Satzung der Zisterzienser so streng, dass Philipp von Elsass, Graf von Flandern, und seine Gemahlin nicht im Kloster beigesetzt wurden, obwohl Philipp dreimal in Palästina war und das letzte Mal bei der Belagerung Akko's fiel; man baute ihnen eine Kapelle beim Friedhof für die fremden Äbte.

Diese Kapelle teilte das Los der übrigen Gebäulichkeiten, doch war sie berühmt im Zisterzienserorden, da in der gewölbten Krypta die Gebeine der Brüder ruhten, die zur Zeit S. Bernhards gelebt.

Man verehrt sie als Heilige; denn der „gebenedeite“ Abt hatte eine Offenbarung, dass alle Genossen, die damals in Clairvaux lebten, das ewige Leben hätten.

Vor der Krypta standen die Verse: Hie jacet in cavea Bernardi prima propago; Cuius mens superas possidet alta domos. Hie locus est sanctus, venerans insignia tanta, Supplex intrato, cerne, nee ossa rape! Und: Quae vallem hanc coluit Bernardi prima propago Hie jacet. Huc intrans, si rapis ossa, peris! Deutsch etwa: Hier ruht nun in der Gruft Sankt Bernhards erste Gefolgschaft; Sein erhabener Geist thront jetzt im Himmel gar hoch. Hier ist heiliger Boden; verehre so hohe Verdienste; Demütig betend tritt ein, schone der Toten Gebein! Und: Hier ruht Bernhards Gefolgschaft, die einst gerodet im Tale; Raubst du der Toten Gebein, dann jähen Todes du stirbst!) — 

Quelle: http://www.lexikus.de/bibliothek/Klosterleben-im-Mittelalter/Das-Leben-der-Moenche-in-den-Zisterzienserkloestern/Die-Kirchen-der-Zisterzienser-und-deren-Bauart